Fokusthema September 2024Bio-Synthesegas als Baustein für die Energiewende - In zwei EU-Projekten entwickeln wir Lösungen

26. August 2024
©photocreo via Canva.com

Autor:innen: Lukas Weindl und Luise Sanders

Die europäische Energieversorgung ist stark abhängig von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Gas. Die bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern entstehenden CO2-Emissionen und die absehbare Endlichkeit fossiler Rohstoffe werfen die Fragen auf, welche Energiequellen wirtschaftlich sinnvoll sind und welche zugleich Europa noch langfristig zur Verfügung stehen werden. Verschärft wird diese Problematik von geopolitischen Faktoren, wie etwa dem russischen Angriffskrieg, der die europäische Abhängigkeit von russischen Erdgasimporten zusätzlich verdeutlicht.

Hunger nach mehr Energie in der Chemieindustrie

Besonders die chemische Industrie ist auf fossile Brennstoffe angewiesen. So nutzt dieser Wirtschaftssektor fossile Rohstoffe nicht nur zur Energieerzeugung (zum Beispiel Erdgas), sondern in noch größerem Umfang als Rohstoff für die Produkte selbst (vor allem Erdgas und Erdöl). Produkte dieses Sektors umfassen verschiedenste Bereiche unseres täglichen Lebens, wie etwa Lebensmittelversorgung (zum Beispiel Düngemittel und Pestizide), Kleidung (Kunstfasern), Gesundheitsversorgung (Pharmawirkstoffe), Wohnen (Dämmmaterialien und andere Baustoffe), Papier (Bleichmittel) oder auch Pflegeprodukte (Kosmetika und Waschmittel).[1] Erdgas spielt eine entscheidende Rolle im Energieverbrauch der chemischen Industrie in Europa. Mit etwa 35 % des gesamten Energieverbrauchs macht Erdgas mit Abstand den größten Teil an fossilen Energieträgern in dieser Branche aus.[2] Im Alltag sind uns als Nutzer:innen von chemischen Endprodukten, deren tatsächlichen CO2-Fußabdrücke und die bei der Herstellung entstehenden anthropogenen Umweltauswirkungen kaum bewusst, da sich diese nicht in Endpreisen der Produkte wiederfinden lassen. Um diesen Umstand zu ändern, wird aktuell an verschiedensten Konzepten zur Dekarbonisierung der Herstellungsprozesse von Chemikalien und an der Nutzung von nachwachsenden Energieträgern in der Chemieindustrie geforscht.

[1] Studie Blackbox Chemieindustrie (bund.net)    [2] Industry relied mostly on natural gas & electricity - Eurostat (europa.eu)

Bio-Syngas als erneuerbarer Energieträger

Eine vielversprechende Energiealternative stellt Synthesegas (kurz Syngas) dar, welches hauptsächlich aus Kohlenmonoxid (CO) und Wasserstoff (H2) besteht und zur Erzeugung von Kraftstoffen, Chemikalien und Energieprodukten verwendet werden kann. Momentan wird Syngas größtenteils durch die Vergasung von Erdgas oder Kohle hergestellt. Um den wärmeintensiven Umwandlungsprozess von Rohstoffen in Syngas zu dekarbonisieren, wird an der Elektrifizierung des kompletten Herstellungsprozesses geforscht. Darüber hinaus wird daran gearbeitet, Syngas aus Biomasse (Bio-Syngas) herzustellen und dadurch den Ausgangsrohstoff für die Herstellung von Chemikalien zu defossilisieren. In Form von Klärschlamm, häuslichen organischen Abfällen oder Hackschnitzel besitzt Biomasse das Potenzial, in getrocknetem Zustand durch Vergasung zu Bio-Syngas umgewandelt zu werden. Das gewonnene Bio-Syngas ist vielseitig verwendbar, beispielsweise als Brennstoff zur Energieerzeugung, als Rohstoff in der chemischen Industrie oder zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen wie Methanol oder Fischer-Tropsch-Diesel.

Verfahrensschema der direkten Bio-Syngasverwendung

Die Produktion von Bio-Synthesegas spielt eine wichtige Rolle in der Energiewende. Eine Nutzung biogener Rohstoffe zur Erzeugung von Bio-Syngas ermöglicht es, fossile Brennstoffe zu ersetzen, was zu einer Einsparung von Treibhausgasemissionen beiträgt. Außerdem hat Bio-Syngas den großen Vorteil, dass man es in verschiedenen Sektoren einsetzen kann, was zur Diversifizierung und dem vermehrten Einsatz erneuerbarer Energien in verschiedenen Wirtschaftssektoren beiträgt. Durch die Umwandlung von organischen Abfällen und Reststoffen in wertvolle Energie und chemische Grundstoffe fördert die Bio-Syngasherstellung zudem die Kreislaufwirtschaft, da eine Verbrennung und Lagerung der Abfälle auf Deponien umgangen wird. Des Weiteren kann das vielseitige Gasgemisch in kleinen bis mittelgroßen Vergasungsanlagen in ländlichen Gebieten und in der Nähe von Biomassequellen produziert werden, und durch die Nähe zur Rohstoffquelle können Transportkosten minimiert werden. In Form von modularen Vergasungsanlagen wird zudem eine einfache Skalierung, je nach Verfügbarkeit der Biomasse erreicht. Dies ermöglicht eine rasche Erweiterung und Verlagerung der Anlagen, falls sich die Rohstofflage oder der Energiebedarf ändern sollte.

Aktuell birgt die Herstellung von Bio-Syngas noch Herausforderungen, die sowohl technischer als auch wirtschaftlicher Natur sind. Unter anderem bedarf es einer Sicherstellung der Biomasseversorgung, einer effizienten Prozesskontrolle und einer Berücksichtigung von Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekten, um eine großangelegte Nutzung von Biomasse für die Produktion von Bio-Syngas zu ermöglichen.

Innovative Projekte am Steinbeis Europa Zentrum zum Thema Syngas

In europaweiten Zusammenschlüssen von Partnern aus verschiedensten Sektoren wird genau an diesen Herausforderungen geforscht und gemeinsame Lösungsansätze werden entwickelt. In den beiden EU-Projekten SUPREMAS und ēQATOR arbeitet das Steinbeis Europa Zentrum mit Projektpartnern daran, die europäische Energieversorgung aktiv mitzugestalten.

EU-Projekt SUPREMAS

Im SUPREMAS Projekt wird getestet, wie Bio-Synthesegas aus unterschiedlichen erneuerbaren Quellen wie Biomüll, Klärschlamm oder Hackschnitzel möglichst kosteneffizient produziert werden kann. Die im Projekt entwickelten modularen Anlagen sollen mobil und dezentral eingesetzt werden und durch das Etablieren von sogenannten Renewable Energy Communities (ähnlich dem deutschen Konzept der Energiegenossenschaften) die Dezentralisierung und Unabhängigkeit des Energiesystems voranbringen. Das Steinbeis Europa Zentrum ist hier insbesondere für die Partizipation von Stakeholdern und lokalen Akteuren mittels der Durchführung von Co-Creation-Workshops und Stakeholder-Analysen zuständig. Diese im Projekt integrierten Maßnahmen sollen eine effektive Teilnahme von diversen Interessentengruppen an der zirkulären Energieerzeugung sicherstellen und eine spätere Annahme und Akzeptanz der SUPREMAS-Lösungen unter Teilhabenden fördern. Zudem leitet das Steinbeis Europa Zentrum einige Aktivitäten im Innovationsmanagement und unterstützt so die Projektpartner bei der Verwertung und Weiterverwendung ihrer Projektergebnisse. Es stellt sicher, dass im Projekt entwickelte Technologien nicht nach Ende des Projekts in Vergessenheit geraten, sondern weiterentwickelt werden, mit dem Ziel, wenig später als Produkt auf dem Markt erhältlich zu sein.

Modulare Synthesegasanlagen, die erneuerbare Energie aus verschiedenen Quellen und für unterschiedliche Zwecke liefern - Projekt SUPREMAS startet - Steinbeis DE (steinbeis-europa.de)

EU-Projekt ēQATOR

Das ēQATOR Projekt hingegen widmet sich der effizienten und klimaneutralen Umwandlung von Biogas in Bio-Syngas. Hier wird an einem neuen Prozess geforscht, Biogas als erneuerbaren Ausgangsrohstoff für die Umwandlung in Bio-Syngas zu verwenden, was im nächsten Produktionsschritt beispielsweise zu Methanol, Kraftstoffen oder Wasserstoff weiterverarbeitet werden kann. Die enorme Hitze, die für die Umwandlung von Biogas zu Bio-Syngas erreicht werden muss, ist derzeit nur mit fossilen Brennstoffen machbar. ēQATOR hat es sich daher zum Ziel gesetzt, diesen Vorgang zu defossilisieren und testet die Möglichkeit, die katalytischen Reforming-Reaktoren elektrisch zu beheizen. Die zentrale Innovation von ēQATOR ist die integrierte Entwicklung von Katalysatoren und Reaktoren sowie von zwei unterschiedlichen, aber komplementären elektrischen Heiztechnologien. ēQATOR wird dazu beitragen, die Synthesegasproduktion von großvolumigen Reaktoren mit fossil befeuerten Brennern auf erneuerbar beheizte und kompakte Reaktoren umzustellen.

Das Steinbeis Europa Zentrum ist als Projektpartner für die Kommunikationsaktivitäten im Projekt, die Verwertung der Forschungsergebnisse sowie für das Datenmanagement zuständig.

Effizientere Biogasumwandlung durch elektrisch beheizte katalytische Reforming-Reaktoren (ēQATOR) - Steinbeis DE (steinbeis-europa.de)

Weitere Informationen zu unseren Syngas-Projekten finden Sie unter https://www.supremas.eu/ und https://www.eqator.eu/.

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Als Experten für europäische Förderprogramme unterstützen wir interessierte Organisationen bei Förderprogrammwahl, der Antragsformulierung sowie Beantragung von Fördermitteln. Mit unserer 34-jährigen Erfahrung in der Antragskonzeption und im Projektmanagement sind wir bestens gerüstet, um unsere Kunden durch den komplexen Antragsprozess zu führen und deren Erfolgschancen zu maximieren. Darüber hinaus bietet sich das Steinbeis-Europa-Zentrum auch als Partner in den Projekten an, bei denen es Projektmanagement, Innovationsmanagement, Kommunikations- und Verwertungsaktivitäten übernimmt.

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