Fokusthema August 2024Regulierung, mehr Regulierung, immer nur Regulierung – Have your say!
Autor: Robin Schenk
Bürokratie, aber vor allem eine gewisse „Regulierungswut“ im Sinne des Findens von Bereichen für immer neue Rechtsakte, Vorschriften und Berichtspflichten wird aktuell scheinbar allen politischen Ebenen nahezu täglich unterstellt. Die Europäische Union allerdings trifft es dabei sicher am schärfsten: Sie sei das wahre Bürokratiemonster. Der allgemeine Tenor, nicht zuletzt aber auch die politische Klasse anderer Ebenen nutzt nicht selten die Option, den schwarzen Peter für das Vorschriftenproblem nach Brüssel zu schieben. Dass die Antwort differenzierter ausfallen müsste, ist den Allermeisten bewusst.
Fakt ist, dass eine ganze Reihe neuer, bedeutender und durchaus umfangreicher Rechtsakte in den letzten Jahren verabschiedet wurde – mit weiteren europäischen Gesetzgebungsprozessen, die aktuell auf dem Weg sind. Neben dem meistzitierten Beispiel des Green Deal und seinen Implementierungsakten seien genannt: der Critical Raw Materials Act, mit dem sich die EU unter anderem ambitionierte Ziele im Bereich der Eigenproduktion und vor allem auch des Recyclings kritischer Rohstoffe setzt, der AI Act/die KI-Verordnung, mit der die EU als erste Region im geopolitischen Vergleich eine grundlegende Regulierung von Künstlicher Intelligenz verabschiedet hat, oder auch die etwas weniger bekannte Medizinprodukteverordnung, die in der Medizintechnikbranche zwischenzeitlich hohe Wellen schlug.
Zuletzt war in vielen Diskussionen vor allem das EU-Lieferkettengesetz bedeutend. Es wird nach verschiedenen Modifikationen nun in Zukunft Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten/einem Jahresumsatz von mindestens 450 Millionen Euro vorschreiben, für die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in Bezug auf ihre Lieferketten selbst verantwortlich zu zeichnen. Deutschland hatte ein ähnliches Gesetz bereits zuvor geschaffen, das seit 2024 auch bereits ab 1.000 Mitarbeitern greift, und enthielt sich dennoch bei der finalen Abstimmung des Wettbewerbsfähigkeitsrates der EU im Mai 2024.
Handlungssicherheit in Zukunftsfeldern
Zu betonen ist, dass diese Rechtsakte in ihrer Gesamtheit nicht mit dem Motiv des Untergrabens von Subsidiarität oder der Souveränität der Mitgliedstaaten und deren Regionen umgesetzt werden, sondern primär im Sinne von Handlungssicherheit in Zukunftsfeldern sowie harmonisierten Rahmenbedingungen im europäischen Binnenmarkt – einem Ziel, das mit der Logik der Europäischen Union in jedem Fall kohärent ist. Ohnehin ist die EU nur in einigen sehr klar definierten Politikfeldern wie dem Binnenmarkt, dem Freihandel, und z. B. der Agrarpolitik allein regulatorisch zuständig. Hinzu kommt, dass die Gesetzgebungsverfahren über die Triloge, gleichwohl streitbar und komplex, eine Vielzahl von Akteuren einbeziehen und gleich in mehrerlei Hinsicht legitimiert sind – zum einen über die Mitgliedstaaten und deren Minister im Rat selbst und über das Parlament, das direkt von der Bevölkerung der EU gewählt wird. Man hat es nicht mit einem institutionellen Geflecht zu tun, das unabhängig von anderen Akteuren Regulierung in irgendeiner Weise willkürlich vorantreiben kann.
Have your say – Ihre Meinung zählt!
Die Einbeziehung von Meinungen, Interessen und Vorbehalten, aber genauso von praktischem Wissen im Sinne von guten Ideen und Vorschlägen, ist zentral für jeden Gesetzgebungs- bzw. Rechtssetzungsprozess in einer Demokratie. Hier kommen Akteure außerhalb des EU-Institutionengeflechts ins Spiel, die für den Prozess wichtige Erkenntnisse aus der Anwendung der betroffenen Felder einbringen. Und hier beginnt auch die zentrale Phase der Mitsprache und Mitgestaltung der EU-Innovationspolitik. Durch eine frühe Partizipation lässt es sich vermeiden, dass später wegen wachstumsbeschränkender und innovationshemmender Regeln die Existenz der neuen Regelungen im Allgemeinen beklagt werden.
Gerade weil die EU ein intrinsisches Interesse an der effektiven Beteiligung auch kleinerer privatwirtschaftlicher Stakeholder und KMU an Gesetzgebungsprozessen hat, hat sie in den letzten Jahren unter anderem die Plattform „Have your say“ (Ihre Meinung zählt - Europäische Kommission (europa.eu)) geschaffen. Die Plattform ist eine zentrale Anlaufstelle für Anregungen und Kritik der Bürger und Bürgerinnen. Öffentliche Konsultationsprozesse finden hier innerhalb festgelegter und im Vorfeld kommunizierter Fristen statt. Nicht zuletzt konnte die oftmals bemängelte Transparenz europäischer Gesetzgebungsprozesse über dieses Portal gesteigert werden. Parallel dazu hat das Europäische Parlament die Website Legislative Train Schedule (Legislative Train Schedule (europa.eu)) aufgesetzt, die aufzeigt, an welchem Punkt im Prozess sich Vorlagen jeweils befinden.
Die Europabeauftragte - Sprachrohr für den Mittelstand nach Brüssel
Das Steinbeis Europa Zentrum und die Europabeauftragte der Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus des Landes Baden-Württemberg, Dr. Petra Püchner stehen zur Verfügung, wenn es darüber hinaus um die direkte Kontaktaufnahme mit der EU-Kommission geht. Viele Akteure in der Kommission freuen sich erfahrungsgemäß über Feedback zu ihren Entwürfen und sind dankbar, wenn Rückmeldungen aus der Praxis an sie herangetragen werden. Unter anderem konnten die Europabeauftragte und Ihr Team in den letzten Monaten Gespräche zwischen Unternehmern und den relevanten Ansprechpartnern in der Kommission führen; zum Beispiel im Kontext von Recycling von kritischen Rohstoffen, im Hinblick auf die noch anstehende Direktive zu KI-Haftung, die voraussichtlich den AI-Act ergänzen wird, im Kontext von Auflagen für die Medizintechnikindustrie sowie in Bezug auf weitere Chemikalienverbote durch die EU (PFAS/ Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen). Die Intention ist nicht, Regulierungen schlichtweg zu beschränken und zu verhindern, sondern KMU und weiteren Stakeholdern die Chance zu geben, berechtigte Einwände und Vorschläge einzubringen. Neben den großen Unternehmen, die dies längst praktizieren, sollen KMU ebenso diese Möglichkeiten wahrnehmen und Politik aktiv mitgestalten. Die langjährige Pflege Ansammlung von Kontakten des Steinbeis Europa Zentrums fungiert hier als Schlüssel zum Erfolg. Darüber hinaus bieten die Experten und Expertinnen am Steinbeis Europa Zentrum ihren Kunden Unterstützung und Beratung bei der EU-Förderung von Innovations- und Forschungsprojekten und bei der der Kontaktanbahnung zu internationalen Partnern an.
Fazit
Es lässt sich feststellen: Die Möglichkeiten, mit den eigenen Erfahrungen an die EU heranzutreten und Regulierung so mitzugestalten, dass sie für alle vertretbar oder gar durch ihre weitreichende Harmonisierung und Standardsetzung einen Standortvorteil für die Wirtschaft in Europa, den Mitgliedstaaten und gerade auch den Regionen darstellen kann, sind zahlreich – und wollen genutzt werden. Das Steinbeis Europa Zentrum und die Europabeauftragte stehen für die entsprechende Beratung gerne zur Verfügung.
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- E-Mail: robin.schenk@steinbeis-europa.de
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